Weinprobe,  Winzerweiser

Rock’n’Roll fürs Glas: Auf den Spuren von Axel Rose und Co.

Eigentlich, ja eigentlich soll es hier ausschließlich um Pfälzer Weine gehen. Doch hier machen wir mal eine Ausnahme. Denn wer so einfallsreich wie Daniel Molitor vom Viermorgenhof Rock’n’Roll in die Flasche und aufs Etikett bringt, hat’s nicht anders verdient. „Stairs ’n‘ Roses“ heißt die Linie des Moselweinguts, die optisch auffällt und geschmacklich liefert.

Sicherlich ist die große Ähnlichkeit zu „Guns ’n‘ Roses“ kein Zufall. Der Name der Linie. Der Schriftzug. Die roten Rosen. Der Weintitel „Sweet Child“. Auf dem Viermorgenhof ertönen vermutlich öfters „November Rain“ und „Paradise City“ als auf anderen Weingütern. Zumindest stellen sich diese Gedanken ein, wenn man sich mit den „Stairs ’n‘ Roses“-Weinen beschäftigt. 

Zehn Weine umfasst die „rockige Weinlinie“ des Viermorgenhofs, die sich irgendwo zwischen guter Marketing-Aktion und großer Experimentiertfreude der Winzerfamilie bewegen. Hier geht’s um die „nächste Weinbau-Generation“, die für andere Rebsorten steht, für wildes Ausprobieren, für andere Aromen und Geschmäcker. Kurzum: Diese Trendlinie zeigt, wie sich der Weinbau verändert und eine Generation an Winzern das Zepter übernimmt, die mit angestaubten Traditionen bricht. Es geht schlicht darum, ein zeitgemäßes und kreatives Statement zu setzen.

 

Der Chef legt Hand an: Daniel Molitor bei der Arbeit. Fotos: Viermorgenhof

Die drei besten

Besonders gut gelingt das den Molitors dort, wo dieses Statement tatsächlich offensichtlich ist. „Struwwelpitter“ ist ein Cuvée von wilden Reben. Riesling, Müller-Thurgau, Cabernet Blanc und Sauvignac sind die Grundlage für ein buntes Treiben im Glas, das trotz seiner Aromenvielfalt sehr gefällig ist. Das ist unkomliziert und gleichzeitig aufregend, da es viel zu entdecken gibt. Trocken und fruchtig mit moderatem Alkoholgehalt (10,5 Prozent), ideal fürs Sommerprogramm auf der heimischen Terrasse. Dafür eignet sich auch der „Next Generation“, ebenfalls nichts Reinsortiges, dafür extrem belastbar. Cabernet Blanc und Sauvignac finden sich in der Flasche, also zwei pilzwidersandsfähige Reben. Das Ergebnis ist deutlich impulsiver als beim „Struwwelpitter“. Viel exotische Frucht, deutliche Würze: Das ist vielleicht kein Wein für den Sonnenuntergang, dafür aber einer für die animierenden Momente.

Es gibt auch deutlich geradlinigere Weine in der „Stairs ’n‘ Roses“-Familie, etwa die obligatorischen Rieslinge. Doch der Wein, der am meisten vereinnahmt, ist auch gleichzeitig der handwerklich ungewöhnlichste. Mit dem „Ohrenschwein“ bietet Molitor einen Orange Wine aus Rivaner-Trauben. Das hat dann irgendwie nur noch wenig mit dem zu tun, was man hierzulande unter Wein versteht. Wer aber den Rotwein-typischen Ausbau von Weißweintrauben  und die 18 Monate Barrique-Reife zu schätzen weiß, findet hier einen besonders spannenden Tropfen. „Irgendwie anders“ beschreiben die Macher den „Ohrenschwein“. Wer sich darauf einlässt, hat einen Wein im Glas, der sich deutlich an Sherry anlehnt. Da ist wenig Obst, dafür umso mehr Gewürze und rauchige Noten. Und das alles mit einer leichten Cremigkeit. Auf jeden Fall ein komplexer Tropfen, an den man sich herantasten muss. Orange Wine, der gerne mal als vierte Weinfarbe bezeichnet wird, ist zwar kein Ergebnis eines total neuen Verfahrens, erfährt derzeit aber einen Trend, der noch zum Boom werden könnte.

Farbe sucht Rock-Plattitüde

Schade, dass ausgerechnet dieser Orange Wine mit seinem Wortspiel keinen sonderlich originellen Namen mitbringt. Aber okay, Rock’n’Roll und die Farbe Orange sind nicht so einfach zu vereinen. Hier haben selbst „Guns ’n‘ Roses“ nicht sonderlich viel zu bieten.

Was das Weingut auszeichnet: diese originelle Linie

Was man unbedingt probieren sollte: Das „Ohrenschwein“

Was es sonst zu wissen gibt: in der Linie gibt es auch einen Traubensaft und eine Traubenschorle

Der beste Wein: Wir bleiben beim ungewöhnlichen Orange Wein (Weindezibel: 9/10)

Die größte Überraschung: Da war doch was mit der Farbe Orange?

Unsere Kriterien für das Weindezibel findet ihr hier.

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